amnestie — so einfach ist das eben nie

von einbecker

Fünfundvierzig Jahre Amnesty International: Am 28. Mai 1961 veröffentlichte Peter Benenson einen Artikel im Britischen Observer, weil zwei portugisische Studenten für einen Trunk auf die Freiheit für sieben Jahre hinter Gitter sollten.

Fünfundvierzig Jahre hiernach reist Volker Beck, Grüner Bundestagsabgeordneter aus Köln, nach Russland, um dort an einer — der Regierung nicht genehmen — Schwulendemonstration teilzunehmen. Rechtsextreme stören die Demo, schlagen auf die Demonstranten ein, die anwesende Polizei lässt geschehen, Beck wird verletzt. Und was sind die Reaktionen aus einem Land, dessen zwei größten Städte von homosexuellen Bürgermeistern der beiden großen Volksparteien regiert werden? Einem Land, das sich als Hochburg der Demokratie, Minderheitenrechte, Offenheit und Freizügigkeit versteht? Einem Land, das sogar 20 Jahre Wetten, dassö? mit Thomas Gottschalk erträgt?

Ein CDU-Politiker sieht das so:

Man muss sich auf die politische Ordnung eines Gastlandes einstellen”, sagte Schockenhoff der “Berliner Zeitung”. Wer versuche, die Spielregeln eines Gastlandes demonstrativ zu unterlaufen, handele grob fahrlässig und könne sich nicht beklagen, dass ihm der notwendige Schutz nicht gewährleistet werde.
(Quelle: N24)

Ah ja. Hier also fünf Beispiele, wie man sich verhalten sollte, wenn man ein Gastland besucht:

  • 5. Als Alkoholiker in Saudi-Arabien

    …stellt sich die Situation einigermaßen unangenehm dar. Besonders, weil man buchstäblich auf dem trockenen sitzt. ?ñffentlich kann unter gar keinen Umständen dem Genuss gefrönt werden — aber vielleicht tut es ja auch der drei Wochen stehengelassene Orangensaft im Hotelzimmer. Vielleicht hat man auch Glück und darf sich nicht nur eine Frau bei einem rauschenden Feste am Fürstenhof aussuchen.

  • 4. Als Fußballhasser in Deutschland

    …wird die Situation die nächsten 7 Wochen eher unangenehm. Selbst die Leibesübungen der taz, die Spex und unverfängliches wie heise.de sind voll von Fußballnachrichten. Die am meisten gleichgesinnten wird man ca. fünfzehn Minuten nach Spielbeginn rund um die Stadien finden. Entweder abgewiesen, keine Sponsorentickets gewonnen, Ehemann zum Spiel gebracht oder schon zu betrunken. Auf alle Fälle jede Menge Hass auf das Runde Leder.

  • 3. Als lamaistischer Buddhist in China

    …kann man trotzdem seiner Religion nachgehen, so lange man nicht den Dalai Lama erwähnt. Einfach jeden Satz, in dem dessen Name vorkommt, einfach diesen durch Mao ersetzten und dabei verschmitzt grinsen.

  • 2. Als Deutscher in Israel

    …hat man es am einfachsten, wenn man sich als Jude ausgibt. Auf jeden Fall nichts gegen die Palästinenserpolitik sagen, sonst verpasst einem das sofort die unsichtbare Armbinde ohne drei Punkte, die hier nicht sooo gerne gesehen wird.

  • 1. Als Jüdin in den Iran

    …kann man sich am besten in die politische Grundordnung des Landes einpassen (und Gastfreundlichkeit im umgekehrten Sinn beweisen), wenn man möglichst viele Iraner dazu einläd, ihrer Selbststeinigung beizuwohnen.

(Mit Urgent Actions kann jeder helfen. Und ich bin gespannt, wie die Gesamt-CDU auf ihren Fraktionsvize reagiert. Wahrscheinlich totschweigen.)

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1 Kommentar

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  • joerg am 03.06.2006  #1

    Christen in der CDU sind auch in der Minderheit, denkt man.

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