Besser schmelzen

von einbecker

Das 2008er Melt! ist vorbei — und lässt viele Fragen offen. Die taz schreibt von »Kirmeswerdung« und »zahlreichen Organisationspannen« — und wird vom Publikum gelesen. Viel Schlimmer könnte jedoch den Veranstalten die Blase der neuen Medien um die Ohren fliegen: Schon Samstag früh erhielt ich Kurzmitteilungen von Freunden, die bei Twitter oder StudiVZ von den katastrophalen Zuständen am Einlass erfahren hatten. Im Meltforum kocht die Diskussion schnell hoch, nachdem die Heimkehrer an die Rechner gingen — und bleibt zwar größtenteils sachlich, aber doch bestimmt: »So nicht wieder zum Melt«, sagen viele. Die Posts werden per E-Mail weitergeleitet, mit einem »Stimmt so!« versehen oder mit »nächstes Jahr dann doch zur Fusion« ergänzt. Das alles läuft hinter dem Rücken (und doch eigentlich vor den Augen!) der Veranstalter ab, die immer noch von »Der Auftritt [von Björk] versöhnte dann offensichtlich doch den ein oder anderen« erzählt — oder auch :»Nachdem wir nun erfolgreich an die von uns gesetzte Kapazitätsgrenze gestoßen sind, blicken wir bereits in die Zukunft: größer wollen wir nicht werden, aber besser. Ziel ist es, unseren eigenen hohen Ansprüchen in Bezug auf Organisation und Festival-Komfort gerecht zu werden. Daran werden wir weiter arbeiten.« Kein Bezug auf die Geschichte, dass Ordner mit Thor-Steinar-Jacken gesichtet wurden, Leute aus drei Metern Höhe auf den Boden rissen oder Schläge androhten. Kein Bezug auf Leute, die unter Absperrungen fast erdrückt wurden, die von deutlich unterschätzten Massen am Eingang niedergedrückt wurden. Kein Bezug auf eine Toilettenproblematik, die eben nicht »so bei allen Festivals ist«.

Deshalb hier fünf Hinweise, wie Ihr es besser machen könnt, liebe Intro-Leute, denn wir wollen das Melt ja eigentlich wirklich nicht aufgeben: Publikum toll, Location toll, Line-Up toll: Ich will gerne nächstes Jahr hinkommen, um dem auch noch ein »Orga toll« hinten dran zu hängen.

  • 5. Mitarbeiter

    Ich weiß nicht, wie Eure Treffen mit den Herren und Damen von den Securityfirmen ablaufen, aber ich würde denen schon gewisse Dinge beibringen: Wie man mit Menschen(massen) in Panik umgeht, beispielsweise. Dass man niemanden von einem drei Meter hohen Boxenturm gewaltsam runterzieht, so dass sich dieser den Kopf aufschlägt, beispielsweise. Dass man Gästen nicht unbedingt Schläge androhen sollte. Und Thor Steinar nicht so cool ist. Und vielleicht noch, wo man wirklich zum Bändchenholen hingehen sollte. Habt ihr? Dachte ich mir. Dann aber schleunigst die Firma wechseln. Und denen sagen, sie sollen mit ein paar Leuten mehr kommen als dieses Jahr.

  • 4. Booking/Running Order

    Jetzt wird es schon nicht mehr so einfach: Ich würde auch auf die Editors, Franz Ferdinand und Björk verzichten, wenn die zu viel Kosten, und lieber in eine entspannte Atmosphäre investieren (siehe alle anderen Punkte). Aber andererseits: Gerade FF und Björk haben sehr groß aufgespielt. Das ist sicher Geschmackssache, und mir ist es letztendlich auch egal, ob nun ein bis zwei Headliner gebucht werden oder eben kleinere. Aber: bei vielen kleineren verstehe ich nicht, warum man diese geradezu abwürgt: Get Well Soon hätten liebend gerne noch zwei Lieder mehr gespielt, The Notwist mit Sicherheit auch. Das Verhältnis Umbaupause/Spielzeit sollte möglichst nicht 1:1 sein, selbst 1:2 finde ich persönlich eher bitter. Es müssen nicht 100 Acts sein, dafür können es aber gerne längere Konzerte sein. Wem etwas nicht gefällt, der hat ja noch andere Bühnen, und eigentlich fast immer mindestens eine, auf der »seine« Schiene bedient wird. Durch längere Slots entspannt sich auch die rumrennende Masse merklich, und dazu hat man die Möglichkeit, von zwei parallelen Acts auch noch etwas mitzukriegen. Ach so: Wir haben auch zu zwölft nicht versucht, in einem Ein-Mann-Zelt zu schlafen. Whitest Boy Alive aber schon. (Also: Ab auf die Gemini, oder auf die Haupt!)

  • 3. Toiletten und sanitäre Einrichtungen

    »Ist eben so.« — ich kann es nicht mehr hören. Warum müssen Klos vollgeschissen sein, warum muss man nachmittags eine halbe Stunde auf eine kalte Dusche warten, und warum müssen Frauen sich Männertoiletten antun? Dezentralere Toiletten und vor allen Dingen mehr Toilettenwagen für Frauen müssen drin sein, und dann würde sich schon so einiges entspannen. Das gleiche auf den Zeltplätzen: ruhig ein, zwei Wagen mehr, und dazu noch gerne auf die Plätze verteilen. Ja, das kostet. Genauso wie uns das Festival. Und wenn sich die Wagen nicht rechnen mit 1,50 für Dusche + Klo: Preise höher machen, vom Klo oder Festival. Für körperliche Basics gebe ich gerne auch 10 Euro am Wochenende aus und spare zur Not zwei Bier auf dem Gelände.

  • 2. Bändchen

    Kurz und knapp: Bändchenausgabe auf das Gelände, mehrere Schlangen, und Ordner auch draußen, die sich um die Anstellordnung kümmern. Dazu insgesamt mehr Leute. Und gerne auch eine Bändchenausgabe vorne zum Gästelistenbändchenkram, denn dann würden sich viele ihres schon am Freitag mittag holen.

  • 1. Kommunikation

    Das war leider das größte Manko: Hätte jemand bei der Bändchenausgabe ins Megaphon gerufen, hätten viele zugehört. Hätte jemand vor dem Club (laut) gesagt, dass man nicht mehr reinkommt, wären sicher 2/3 der Leute gegangen. Hätte man gewusst, wann the Notwist spielen, hätte man nicht durch den Regen laufen müssen. Und von Hercules and Love Affair will ich gar nicht erst anfangen. Also: Bildschirme mit der aktuellen Running Order neben jede Bühne — es reicht auch: jetzt/gleich spielt…, danach spielt… Dazu Ansagen, wenn etwas ist: Ausfälle, kommende Gewitterfronten etc. Zusätzlich nutzt die aktuellen Kommunikationsmittel: Kommuniziert mit SMS oder Twitter und einer speziellen Webseite für das Wochenende. Ich habe einige gesehen, die mit ihren Telefonen die Running Order ankuckten, weil auch die Programmausgabe keinesfalls funktionierte. Und zeigt Euch: Sowohl auf dem Gelände, auch gerne mit Megaphon. Als auch jetzt: Versteckt Euch nicht hinter »alles wird gut«-Sätzen, sondern kommuniziert, was Ihr besser machen wollt. Und wie es dem Typen geht, der da die drei Meter gefallen ist.

Feed RSS-Feed mit Kommentaren zu diesem Artikel

8 Kommentare

Einen Kommentar hinterlassen

  • frank am 22.07.2008  #1

    hab’ zwar zum glück relativ wenig der besagten kritik-/streßpunkte am eigenen leib mitbekommen außer der etwas seltsamen stimmung (und entsprechenden berichten) bei vielen leuten, aber: das kann man so unterschreiben, tät’ ich sagen.

  • einbecker (Autor) am 22.07.2008  #2

    Wenigstens konnte man bei teilweise sehr guter Musik mit angenehmen Menschen Gin Tonic trinken. (Und das man als Hotelschläfer nicht mitkriegt, wie ein vollgeschissener Engländer in der Schlange vor den Duschen steht, ist ein wirklicher Vorteil.)

  • frank am 22.07.2008  #3

    (gin tonic, der berühmte longdrink, aus gin und bitter lemon bestehend.)

  • q1fanty am 23.07.2008  #4

    frank, es war nicht gin tonic, sondern wodka tonic, der mit bitter lemon gemacht wird… ;)

  • joerg am 03.08.2008  #5

    Security-Mitarbeiter ohne Thor Steinar Jacken zu finden wird aber nicht einfach werden in den Fünfneuenbundesländern. (Womit ich natürlich weder pauschal das Sicherheitsgewerbe noch meine ostdeutsche Heimat verunglimpfen will, aber man macht ja so seine Beobachtungen…)

  • einbecker (Autor) am 03.08.2008  #6

    Jörg: Ja, das ist tatsächlich ein Problem. Wobei es wohl durchaus Veranstaltungen auch hier im Osten gibt, die es durchaus schaffen…

  • joerg am 03.08.2008  #7

    Is klar, wie gesagt: ich wollte nicht pauschal und so …

  • einbecker (Autor) am 03.08.2008  #8

    Schon klar und sehe ich ja genau so.

Kommentar hinterlassen