Deutschmusik aus der Unterkiste

von Schuer

Gerade alte Schätzchen entdeckt. Lange Zeit auf Teilen der Festplatte verschollen, auf die nur selten Licht fällt. Ja, als Formatjunkie ignoriert man gerne mal minderwertige mp3s mit nur 128 kbs und die dicken 320er, die damals noch sinnvoll schienen. Das deutsche Reinheitsgebot sollte nicht nur für Bier gelten. Die Top 5 meiner eben entdeckten Raritäten außerhalb der 192-kbs-Linie:

    5. Selig – Ohne dich _(Reinhören bei Amazon)
    Langeweile besäuft sich. Eins dieser Lieder, die ich schon oft im Kopf hatte, ohne es bewusst zu merken. Tieftraurig und das wohl weinerlichste Gejammer, das ich kenne. Und dennoch springt nur der Funke über, nicht das Elend. Etwa so wie bei Forrest Gump, den ich jederzeit mit außerordentlichem Respekt und Begeisterung für ein Kunstwerk schaue, ohne dabei emotional mit auf der Bank an der Bushaltestelle sitzen zu müssen.

    4. Lotto King Karl – Fliegen _(Reinhören bei Amazon)
    Karl König wollte mit »Fliegen« beim Eurovision Song Contest im Jahr 2000 antreten, scheiterte jedoch in der Vorausscheidung an Stefan Raabs »Wadde hadde dudde da?«. Allein daraus könnte man nun schließen, dass das Lied unglaublich schlecht sein musste. Aus kompositorischer Sicht jedoch, und ich habe keine Ahnung, was das heißt, empfinde ich die Hookline als sehr eingängig (Bohlen-Schimpfwort) und gelungen. Und auch Karlchens Lispeln scheint kein nennenswertes Problem, »Dazs izst wie Fliegen..«

  • 3. Die coolen Säue – die Musterknaben

    1:37 für Docker und Dretzke. Länger konnte man den Track nicht strecken, ohne damit allen Beteiligten auf den Sack zu gehen. Strophen und Refrain lassen sich nur schwerlich unterscheiden, so dass der Konsument mit dem Gefühl dasitzt, maßlos vollgeblubbert zu werden. Nichts anderes macht der Film, und ist dennoch gelungen. Damit schließt sich der Kreis. 2 + vier coole Säue und »vergiss nicht: Verbrechen lohnt sich nicht!«.

  • 2. Matthias Reim – Verdammt ich lieb’ dich immer noch _(Reinhören bei Amazon)
    Ach, es gab einen Nachfolger des alten Gegenüber-sitzt-nen-Typ-wie’n-Bär-Hits? Zu Klassenfahrtzeiten, noch vor PUR und den Guns N’Roses, hörten wir ihn so oft, dass die Tonbänder unserer CrO2-Kassetten hinterher vollkommen entmagnetisiert sein mussten. Dieser Nachfolger ist nun also Matzes »Still blowin’ in the Wind«, sein »Spiel’s noch zweimal, Sam« und der Abspann vom Soundtrack seines Lebens. Kann man würdigen, muss man aber nicht.

    1. Herbst in Peking – Jesus im Schnee _(Unbedingt sehen und hören!)
    Die kurze Geschichte unseres Heilands hörte ich vor Jahren zum ersten Mal in der Luna Bar in Münster und hätte nie vermutet, dass hinter der ausführenden Ost-Combo eine bemerkenswerte Geschichte steht. Jesus im Schnee entstammt ganz offensichtlich aus Formen überhöhtem Feinstaubkonsums und wurde aus der Art von Kindergartenlyrics gebaut, in die Musiker dabei so häufig zurückfallen. »Er hätte den köstlichsten Kuchen der Welt backen können«, denn »Jesus war so cool«. Mehr Stoff: HIP-Website, Berliner Zeitung: »Nach dem großen Scheitern« (1998), Die Zeit: »Systemausfall« (2004).

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5 Kommentare

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  • einbecker am 07.09.2005  #1

    Oha. Harte Liste für diese Uhrzeit. “Fliegen” wird des öfteren (dank Hamburgstämmiger Freunde) gehört, der Rest wäre wohl nicht nur an der 192-bit-Hürde gescheitert. ;-)

  • r0ssi am 07.09.2005  #2

    uff. respekt vor soviel ehrlichkeit.

  • Die aktuelle Verachtung am 07.09.2005  #3

    Jesus was way cool

    Als ich vor einigen Jahren meiner damaligen Schwägerin Jesus was way cool von King Missile vorgespielt habe, erzählte sie, dass sie den Text auch auf Deutsch schon gehört hatte.
    Etwa 5 Jahre später lese ich heute das Top-5-Blog, und was muss ich …

  • Newton am 07.09.2005  #4

    Diese Jesus-Geschichte kommt mir doch extrem bekannt vor, allerdings aus der (wohl Original-?)Version »Jesus was way cool« von King Missile. Die ist allerdings wesentlich besser und souveräner vorgetragen.
    Jesus was way cool — no wonder there are so many christians

  • Newton am 07.09.2005  #5

    Hm. So kommt’s wenn man während dem Kommentieren ins Auf-Wikipedia-Rumsurfen kommt und somit vor dem Abschicken nicht merkt, dass der eigene Beitrag längst überflüssig ist. ;)
    Wenigstens höre ich jetzt mal wieder King Missile. But my father was a really great man. I’ll never forget the last thing he said to me. Nor will I ever repeat it.

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