Livemusik

von einbecker

Ich erwähne ja immer wieder gerne, dass ein Großteil meines Einkommens direkt wieder in den Schlund der Musikindustrie geschleudert wird. Jeden Monat knapp im dreistelligen Bereich, würd ich schätzen. Allerdings nehme ich mir das Recht heraus, die Münder, die ich füttere, auch selbst aus- und auch aufzusuchen. So geschehen letzte Woche gleich zweimal, zum einen geplant zu den wunderbaren Death Cab For Cutie, zum anderen recht spontan und daher extrem planlos1 zur Mediengruppe Telekommander.

Die Musik soll hier ausnahmsweise im Hintergrund bleiben (Nur so viel: Großartig!2), stattdessen widme ich mich der Spezies Konzertbesucher. Zu unterscheiden sind hier:

  • 5. Der Musikredakteur

    Gerne auch mit einer Möchtergern-Vorsilbe versehen besitzt der M. eine Plattensammlung, die ganze Salons füllen könnte (Eigendarstellung). Grundsätzlich fand er das letzte Album vor dem Majordeal das Beste der Band, bei Newcomern findet er die vorhergegangenen EPs besser und das Album überproduziert. M. streitet sich mit No 1 um die Setlist, wenn er vergessen hat, diese mitzuschreiben.

  • 4. Der Biertrinker

    Der B. ist ein Rudeltier, gerne im oberen Drittel der Publikumsalterspyramide angesiedelt und freut sich darauf, seine Gehörgänge mal wieder so richtig zu belasten, die schon vor einigen Jahren durch Bands beschallt wurden, die heute nur noch auf seinem T-Shirt existieren (oder sich in vegetativer Auflösung befinden). Konzerte erinnern den B. an die eigene, wilde Jugend und helfen so, die Midlife-Crisis zu überbrücken. Er kennt nur zwei Lieder der Protagonisten, die er jedoch lautstark mit Grunz- und Gesangseinlagen untermalt.

  • 3. Das Kind

    Erschreckende Parallelen zeichnen das K. und die eine Generation älteren Biertrinker: Beide kommen sie in Gruppen, beide kennen zwei Lieder. Das K. kann sich jedoch kein Bier leisten, wodurch auch die Grunzgeräusche zu vernachlässigen sind gefühlte 10 Oktaven höher zu einem Kreischen mutieren. Kennen die Band im Gegensatz zu No 4 und 5 nicht aus einem Musikmagazin, sondern dem Fernsehen. K.s werden später entweder erfolgreich oder zu Biertrinkern.

  • 2. Der Fan

    Der F. reist für ein Konzert auch mal 200 Kilometer, wenn es nötig ist auch allein. Hat die Platten der Band im Schrank, redet aber nicht darüber sondern freut sich auf die Musik. Belächelt alle anderen anwesenden (was schnell zur Pose wird) und lehnt mit Bier gegen den Mischpultschutz. Versucht nach dem Konzert, mit den Musikern ins Gespräch zu kommen, ohne dabei den Anschein zu erwecken, den Versuch zu unternehmen, mit den Musikern ins Gespräch zu kommen. Scheitert zumindest bei letzterem.

  • 1. Die Fan

    Groupie wäre ein Schimpfwort für jede F., die — gerne auch allein — notfalls quer durch die Republik reist. Jeder F. sieht in der F. eine Traumfrau, würde dies aber nicht zugeben, denn die F. hat eh nur Augen für die Band. Sie ist in den ersten beiden Reihen anzutreffen, bewegt bei jedem Lied textsicher die Lippen mit, ohne eine CD zu besitzen.3 Ihre Gespräche nach dem Konzert laufen erfolgreicher, da sie über die richtige Chromosomenkombination verfügt.


1: Was zu einigen Irrläufen durch unbekanntes Dresdner Terrain führte
2a: Death Cab for Cutie: Spätestens bei der ersten Zugabe (»I will follow you into the dark«) war es geschehen. Schön (nicht wie eine Hundehütte, sondern der Kölner Dom).
2b: Ich fand die Mediengruppe ja recht lustig, intelligent und vor allem eins: Für mich auf Dauer nicht hörbar. Der letzte Samstag machte mal wieder deutlich, dass »nicht hörbar« unter Umständen auch sehr geil, extrem tanzbar, oder einfach nur Ich Komanda! bedeuten kann.
3: Mädchen besitzen keine Musik. Sie hören sie nur. (Und wer mein Weltbild zerstört, kriegt ne Cola.)

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10 Kommentare

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  • dunski am 20.02.2006  #1

    Mir fehlt der Konzerbesucher (immer männlich), der sich mindestens in die 2.Reihe stellt, um dort regungslos 3 Stunden auszuharren, mit keinem Wimpernschlag kenntlich machend, ob ihm bewusst ist, wo er sich befindet und was um ihn herum abgeht. Sind mir insofern schnurzpiep…solange sie meine Körpergrösse nicht überragen und auch noch nie mit Anabolika in Berührung kamen. Wenn sie aber breitschultrig die Sicht versperren und beim Tanzen eine Verletzungsgefahr darstellen, können diese Besucher mein Aggressionspotential doch ausreizen.

    Wegen meines fortgeschrittenen Alters verträgt meinereiner leider auch nicht mehr die pogenden Kettenraucher, die einem jedes mal die Kleider zerlöchern und die Atemwege so zupaffen, dass an Musikgenuss leider nicht mehr zu denken ist.
    Ok, das ist jetzt etwas grantig, aber am Freitag bei “Curse” drohte meine alte Passivraucherlunge echt aufzugeben. Bin mir zwar nicht sicher ob der 1,90 Bodybuilder vor mir mit “5UCK MY D1CK”-T-Shirt nicht auch zur Übellaunigkeit beitrug.

    Und.. es gibt auch DIE Fan, die nicht kreischt, aber mitsingt und alle CDs zuhause hat. sorry. Die aber niemals, niemals Kontakt zur Band sucht.

    ;)

  • andiberlin am 20.02.2006  #2

    Es fehlt:
    Der Musikinteressierte, der nur zu dem Konzert geht, weil er die Band einfach gut findet (was sich nicht nur auf diese eine Band bezieht), und sich freut diese mal wieder live sehen zu können. Weigert sich aber beharrlich Fan genannt zu werden, da zu alt für so etwas! :)

  • Freund der Sonne am 20.02.2006  #3

    Da fragt man sich nur noch, welcher dieser Gruppen denn der Herr Einbecker angehört.

  • Bastian am 20.02.2006  #4

    Naja die Fan bekommt ihr CDs einfach irgendeinem XY-Fan gebrannt der sich so in das Herz der XX-Fan schleichen will. ;)

  • Jan (Team) am 20.02.2006  #5

    Versucht nach dem Konzert, mit den Musikern ins Gespräch zu kommen, ohne dabei den Anschein zu erwecken, den Versuch zu unternehmen, mit den Musikern ins Gespräch zu kommen.

    Ich mag ja, wie der Tobi schreibt.

    Und zu 3. Sorry, aber.. die Cola wirst Du schneller los als du thekidswhopoptodaywillrocktomorrow sagen lesen kannst ;-)

    Jan

  • Schür (Team) am 21.02.2006  #6

    3: Mädchen besitzen keine Musik. Sie hören sie nur. (Und wer mein Weltbild zerstört, kriegt ne Cola.)

    Das ist eine interessante These! Ich vermute, du hast recht damit. Irgendwelche Einwände, Mädels?

  • einbecker (Autor) am 21.02.2006  #7

    dunski: ja, die nerven. Besonders diejenigen über 1,90, weils dann auch für mich eng wird. Und: Wir reden doch hier nicht über uns? ;-)

    Bastian: Gebrannte CDs sind ja nun nicht mit Platten zu vergleichen. ;-)

    Jan: So lange ich mein Bier behalten darf…

  • dunski am 21.02.2006  #8

    ;) Bier und Cola kannste behalten, wenn ich meine CDs behalten darf. ;)

  • dunski am 21.02.2006  #9

    oder kenne ich zuviele ladies, die auch vor einem DJ-Pult nicht zurückschrecken?

  • einbecker (Autor) am 21.02.2006  #10

    Sicher, will Dir ja nichts wegnehmen. Zu viele Ladies kann man gar nicht kennen — aber bei mir hier ist es eher so, wie ich das eingangs schon schrieb. leider.

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