5 Gründe, keine CDs mehr zu kaufen

von Schuer

  • 5. Quote

    Häufig hat man den Eindruck, die Quote an guten Liedern auf einer typischen (Mainstream-)CD liege im Durchschnitt weit unter 50 Prozent. Der Rest sind Gurkenlieder, Füllmaterial, minutenlange Stille vor unnötigen Bonustracks (die nur schwerlich als Track bezeichnet werden können, wenn sie schlicht einem anderen Lied hinten dran hängen), Klingeltöne, abgefuckter Retortenpop oder ganz einfach Songs, bei denen der Künstler vor Scham im Boden versinken müsste, wäre er denn verantwortlich für die Zusammenstellung seines Werks (Ist er selten, aber das macht’s nicht besser). Allein die menschliche Sammelleidenschaft sorgt dafür, dass wir komplette Alben kaufen. Wer sich davon freimacht, genießt einen neuen Blickwinkel.

  • 4. Preis

    Der Künstler selbst erhält im Normalfall den Hauch eines Bruchteils des Verkaufspreises. Also, wer kriegt den Rest? Wir, die Konsumenten, bekommen ein großes Stück davon. Allerdings in wertloser Form, nämlich als Marketing. Um uns zum Kauf zu locken, investiert man große Summen, und um diese Summen wieder reinzukriegen, müssen wir kaufen, und zwar möglichst teuer. Ein extrem langweiliger Kreislauf, der penetrant interessant sein möchte. Mehr Brot für junge Künstler, nur so kann es auf Dauer klappen.

  • 3. Anspruch

    Was erwarten wir eigentlich von einer CD? Musik, natürlich. Aber in erster Linie geht’s doch um den Spirit dahinter. Musik ist ein Lebensgefühl, das von allen Seiten beeinflusst wird. Die Anspruchslosen unter uns mögen sich mit dem Angebot zufrieden geben, das parallel zum Klingelton im Trashfernsehen gezeigt wird. Die anderen jedoch, denen Musik wichtig ist, selektieren bewusst und kaufen oft Vinyl. Auf digitaler Ebene und im Hinblick auf die mobilen Musikgenießer unter uns kommen wir wieder zu dem Punkt, warum CDs uns nicht beglücken: wir müssen selektieren, um den Anspruch zu erfüllen: hört das, was euch gefällt. Das Leben ist zu kurz für schlechte Bücher CDs(, und fast wäre dieser Satz ein Zitat geworden).

  • 2. Kopierschutz

    Ein peinliches Dilemma, in das Sony geraten ist: ein Sicherheitsexperte hatte entdeckt, dass einzelne CDs des Unternehmens neuerdings eine Software einsetzen, die sich ganz unbemerkt und versteckt auf dem System des Benutzers installiert, sobald er die CD in seinem Computer anhört. Damit begibt sich Sony nach Meinung vieler Konsumenten auf das wohl niedrigste anzunehmende Niveau. Merke: Kopierschutz ist die mutwillige Denunzierung des Musikliebhabers und gehört verachtet. Machen wir’s doch wie damals mit den AOL-CDs und schicken den Sondermüll postalisch zurück.
    Update: nach Bekanntwerden von Sonys latenter Lernresistenz (siehe Medienrauschen) klettert dieser Punkt mit Wonne von Platz 5 auf 2.

  • 1. Vinyl

    Welche Gründe gibt es eigentlich, Musik von Polyvinylchlorid (Platte) statt Polycarbonat (CD) zu hören? Kenner sprechen oft davon, der Ton sei wärmer. Bullshit. Vielmehr geht es darum, Musik zu zelebrieren und bewusst aufzunehmen. Ähnlich wie beim Kaffee, der nur dann gut ist, wenn man ihn eigenhändig und liebevoll zubereitet, stellt sich das Glücksgefühl genau dann ein, wenn “alles passt”. Ebenso wie eine CD in den Player geschoben werden muss, legt sich auch eine Platte nicht automatisch auf, sondern erfordert eine aktive Handlung. Jedoch gibt es den entscheidenden Unterschied der Wahrnehmung: eine Platte hat Rillen, zwischen denen sich Musik befindet. Man kann sie sehen, man kann sie fühlen, man kann sie sogar riechen. Man steuert den Punkt, an dem, und den Moment, in dem die Nadel aufsetzt. Man hört die Musik, noch bevor sie verstärkt wird. Und man weiß genau, dass sie vergänglich ist und langsam verblasst, anstatt irgendwann von einem auf den anderen Moment nicht mehr zu funktionieren.

Anm. d. Red.: Punkt 1 muss nicht zwangsläufig auf Musikliebhaber zutreffen. Umgekehrt jedoch erkennt man Musiklieber beinahe zwingend an Punkt 1.

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9 Kommentare

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  • Els am 08.11.2005  #1

    Zu Punkt 3.) Also ICH hatte in letzter Zeit den Eindruck, dass sie scheinbar gerade wirklich versuchen, die Preise wieder ein bisschen runterzuziehen. Ist aber nur so’n subjektives Gefühl von mir, was mir bisher auch noch niemand sonst bestätigen konnte….

  • einbecker am 08.11.2005  #2

    Sehr schön! Ja, alles richtig, und doch habe ich zwei Anmerkungen:

    1. Ich bin bekennender Album-Hörer. Diese Singleaffinität ist teil des großen Problems, das sehr treffend, was die Charts angeht, bei Rockmilieu beschrieben wird. Aber grade da nervt natürlich dein 4. Punkt.

    2. Vinyl: So richtig riechen tut es nicht, aber sonst ist es genau das, warum ich vinyl oder eben MP3 höre, je nach Gelegenheit. Und was den Musikliebhaber angeht, muss ich Dir widersprechen: Es gibt auch Vinylliebhaber, die keine Musikliebhaber sind. Die geben Zigtausend Euro für die Anlage aus und kaufen Platten nach ihren audiophilen eigenschaften. Aber dazu schreib ich die Tage noch einmal mehr.

  • einbecker am 08.11.2005  #3

    Els: doch, das stimmt. Geht mir selbst bei Platten so, dass wieder deutlich mehr unter 15 EUR zu haben sind.

  • Jeriko am 08.11.2005  #4

    Oh Gott wie wahr. Warum das nicht schon lange mal jemand geschrieben hat. Anmerken möchte ich aber noch, dass ich gute Musik dennoch zu schätzen weiss, und auch bereit bin, dafür mein sauer verdientes Geld auszugeben, um die Künstler wenigstens ein bisschen zu unterstützen. Insofern ist das mit dem Anspruch ein bisschen komisch: Nicht jeder Konsument steht automatisch auf diese Tweetytamagotchiflachwichser, und wie die ganzen Dinger da auf MTV und Viva heißen mögen. Und nicht jeder steht auf die Musik, die auf selbigen Sendern läuft. Aber das heisst ja nicht, dass ich nicht dennoch Auswahl habe!
    Punkt 5 würde ich weiter nach vorne setzen. Der Kopierschutz ist eine hilflose Reaktion der Musik”industrie”; anstatt endlich qualitative Musik zu liefern oder einen echten Mehrwert gegenüber dem reinen Download wird der geneigte Hörer auch noch bevormundet. In diesem Zusammenhang kann ich das Video von Korn, “Y’all want a single” absolut empfehlen!

  • Schür am 08.11.2005  #5

    Els, mir kommt es auch so vor. Aber das ist auch nicht verwunderlich, wo doch inzwischen die Konkurrenz durch Online-Angebote stark zugenommen hat.

    Einbecker: Dass du Albumhörer bist, ist kein Wunder. Deine Musikrichtung gibt’s her. Aber hör dir mal “Mainstream” an, etwa die neue Platte von Robbie Williams. Kein Vergnügen, wenn man es als Ganzes betrachtet.

    Jeriko: Ich weiß gute Musik auch zu schätzen, wenn auch nicht in der hier im Artikel erwähnten Form. Die Auswahl leidet allerdings ganz extrem unter dem, wie heute mit Musik umgegangen wird. Die nachwachsende Generation verliert den Bezug zu ihr, und das ist schon jetzt bemerkbar.

  • joerg am 09.11.2005  #6

    Das Dilemma ist, dass es 1 guten Grund fürs CDs kaufen gibt, der mir deine 5 moralisch irgendwie aufzuwiegen scheint: es ist die Existenzgrundlage der Künstler, von denen man wünscht, dass sie auch in Zukunft in der Lage sein mögen, Musik zu machen statt sich eine richtige Arbeit suchen zu müssen.

    Was den Sound von CDs angeht, da bin ich, obwohl selber Musiker, voll der ahnungslose Banause. Ich hör’ mir just in diesem Moment z.B. die neue Stevie Wonder als 24 kbps-Stream an, weil ich wissen will, ob die sich zu kaufen lohnt. Und ich glaube, so richtig heiß bin ich nur auf den Titel-Track und den kauf ich mir dann als 192 kbps mp3 und werde glücklich damit, aber okay find ich das irgendwie nicht von mir.

  • Schür am 09.11.2005  #7

    Jörg, die Existenzgrundlage ist wichtig, aber nicht abhängig vom derzeitigen Konsumverhalten. Das merkt man schon daran, dass es für den Otto Normalkünstler immer schwieriger wird, von seiner Kunst leben zu können. Es sei denn.. er produziert charttaugliche Klingeltonmusik und sieht smart aus oder geht noch zur Vorschule. Die goldenen Zeiten, um mit Musik reich zu werden, sind lange vorbei.

    Wer also als Künstler “echte” Musik produziert, unterschreibt hoffentlich bei einem “echten” Label, denen diese Musik wichtig ist. Und genau dann fällt er beinahe zwangsläufig aus dieser Top 5-Liste.

  • Homunkel am 10.11.2005  #8

    @Joerg
    Nicht ganz richtig. Die Einnahmen aus CD-Verkäufen sind die Existenzgrundlage der Musikindustrie. Viele “echte” Musiker könnten wahrscheinlich ziemlich gut von den Einnahmen ihrer Konzerte (inkl. Fanartikel etc.) leben …

  • joerg am 14.11.2005  #9

    Antwort im Top5-Stil: 1. Ich hatte bei meinem Satz durchaus an echte Musiker gedacht. 2. “Die Musikindustrie” gibt es nicht. 3. Aber dafür u.a. kleine Labels, denen die recording artists selber auch den Laden schmeisen, die 4. vielleicht auch touren würden und Fannartikel kaufen verkaufen, das geht aber nicht, weil sie 5. leider viel zu wenige Fans haben, was u.a. daran liegen könnte, dass sie keiner kennt, was irgendwie über 8 Ecken schon auch damit zu tun haben könnte, dass sie keine CDs verkauft haben. Wahrscheinlich.

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