Thema »Platten 2007«

2007: Platten, die überzeugten

von einbecker am 09.01.2008

Meine besten Alben von 2007:

  • 5. Maximo Park: Our Earthly Pleasures

    Als selbst erklärter Britpopexperte bringe ich gleich zu Anfang das Totschlagargument: Wahrscheinlich die beste Britpopplatte dieses Jahrzehnts. Ich könnte mich über Textzeilen auslassen: »Would you like to go on a date with me? And I know it’s old-fashioned to say so« oder auch »Rain explodes at the moment that the cab door closed // I feel the weight upon your kiss ambiguous«. Oder Liedanfänge wie die Orgel/Gitarrenkombination gleich am Anfang von Girls Who Play Guitars. Oder den Gesang. Oder die leicht störende passionierte Introextrovertiert bei den Auftritten. Oder ich belasse es einfach bei: Wahrscheinlich die beste Britpopplatte dieses Jahrzehnts.

  • 4. Tocotronic: Kapitulation

    »Ein schönes Wort. Ein deutsches Wort.« hetzte Dirk von Lotzow ins Mikrofon, bevor es weiterging mit hohem Tempo. Und besingt damit das L’Etat Et Moi dieser Zeit, die wichtigste deutschsprachige Aufnahme seit langem. Kapitulation ist unnahbar und nah, sehr weit weg und doch direkt hier und jetzt. Es mischt die Slogans der ersten Alben mit der Mystik der zweiten Schaffensperiode, zitiert mit viel Augenzwinkern viele Bereiche der hiesigen Popkultur, um sie zu negieren und gleichzeitig zu konzentrieren. Es vereint Wolken und Politik, Liebe und Krieg. Und auch wenn es sich so anhört: Mit nichten rede ich hier nur vom Text. Bessere Popmusik, die auch ohne Peinlichkeit jedem Nichtdeutschsprecher gefällt und auch jeden Tocotronicskeptiker aus meinem Umfeld von der Größe dieser Band überzeugt hat, gab es lange nicht.

  • 3. Future Of The Left: Curses

    Was haben wir Mclusky damals geliebt. Was für Musik! Was für ein Konzert! Und was für Shirts! (fuck this band — mclusky) Hier also die legitimen Nachfolger, 2/3 Mclusky, 1/3 Jarcrew. Und wieder: Was für ein Sound! Was für ein präziser, hirnverbranter Lärm! Nie war krach schöner, und natürlich wurde das ganze auch noch mit einem superben Konzert getoppt, so dass man diese kleine Band aus Wales nur vergöttern kann. Und sollte.

  • 2. Gravenhurst: The Western Lands

    Schon 2005 waren sie hier obenauf, allerdings nur mit einer Single, denn das Album enttäuschte damals. Viel ist geschehen: Der Soundtrack zu Ein Freund von mir wurde gemacht und für gut empfunden. Und jetzt: Ein neues Album. Auf dem kein Velvet Cell drauf ist. Braucht es auch nicht. Denn es gibt viel mehr. »battle scars from all night bars // never thought that i would be so drawn to it // city girl, what have we done to ourselves?« ist da noch das greifbarste, was Nick Talbot uns da in schönster Fragilität serviert, ansonsten beherrschen Myst- und Symbolik das traumhafte Bild.

  • 1. The National: Boxer

    Keine Überraschung, wer meine Charts kennt. Aber dieses Album ist mehr als 327 gespielten National-Songs. Viel mehr. So viel mehr. Es ist, ab Tag eins, Lied eins, Minute eins: Gänsehaut. Warmer Wintermantel. Kühler Sommerwind. Gespenstischer Nebelschleier, der sich auf dem Nachhauseweg dieser einen Festivität um einen legt und einen doch nicht stört. Es ist das Piano, das kurz den Beginn ankündigt, bevor Matt Berninger mit der Singstimme, die ich gerne hätte, loslegt: »Stay out super late tonight // picking apples, making pies // put a little something in our lemonade and take it with us«. Es ist ein Album, auf das sich alle einigen können, ohne sich darauf einigen zu müssen. Diese unaufgeregte Zurückgelehntheit, die sich genau deswegen so dringlich und nach vorne anhört, die Kombination aus Einzelcharakteren, die sich für das große Ganze entschieden haben: Das ist das Album des Jahres.

2007: Platten, die überraschten

von einbecker am 06.01.2008

Nicht nötigerweise die besten Platten, aber vielleicht Dinge, mit denen man nicht unbedingt rechnen konnte:

  • 5. Jamie T.: Panic Prevention

    Die Entertainerqualitäten des Herrn Treays durfte ich im Juli beim Melt bewundern, einige Monate davor schon spielte seine Panikprävention auf meinem iPod. Die Mischung aus Vergangenheit und Zukunft, aus (auch ich muss den Skinner-Vergleich bringen) Streets, Strummer und Arctic Monkeys, mit programmierten Drums, Samples und Keyboards. Und auch wenn sie sich doch recht schnell plattgehört hat: Es war doch etwas Neues. Auf der Bühne sieht er übrigens jünger aus als im Video.

  • 4. Tele: Wir brauchen nichts

    So unaufgeregt gut gab es Deutschsprachiges schon lange nicht mehr. Und auch wenn ich Tocotronic und Co. auf ewig verehren werde, es ist gut, dass manche es auch anders machen. Dieser Umgang mit der Sprache, lässiger gerappt als die Fantas auf den letzten fünf Alben, mehr Swing als jede Cicero-Single und dabei eine Coolness, die allerhöchstens noch Yetis aufbringen können.

  • 3. Figurines: When The Deer Wore Blue

    Ich muss gestehen, dass unsere nördlichen Nachbarn erst letztes Jahr auf meinen Radar erschienen, und so musste ich eben grade mit erschrecken feststellen, dass When The Deer Wore Blue schon zwei Vorgänger hat. Auch wenn demnach meine folgenden Worte etwas falsch klingen mögen (und es generell wahrscheinlich auch generell sind, aber egal!): Der gefühlt unpeinlichste Falsettogesang seit den Queens Of The Stone Age. Country hör ich übrigens auch raus! Und Bärte! Und Blue Screens!

  • 2. Kate Nash: Made Of Bricks

    Ich glaube, Konstantin schrieb mal von 11 Londoner Akzenten, die es selbst Einheimischen schwer machen, jemanden einem Stadtteil zuzuordnen. Nun ist es mir relativ sehr egal, welcher diese Akzente es denn ist, der da so schön über die Beziehungsprobleme seiner Besitzerin sinniert, solange er es möglichst noch auf den nächsten 10 Platten macht (oder optional natürlich mich heiratet, aber in schöne Akzente verliebt es sich auch leicht, vgl. Nouvelle Vague). Und wenn jetzt jemand mit »Pop! Ausverkauf!« kommt, dem kann ich nur ein »Stop beeing a dickhead!« entgegenschmettern.

  • 1. Mark Ronson: Version

    So ich noch nicht alle Kommerz!-Schreier schon mit Nō. 2 vertrieben habe, kommt hier der ultimative Schocker. Es tut mir ja selbst ein bisschen Leid, gerade als jemand, der an sich (aber natürlich mit Ausnahmen) auch die dauernden CountryBossaCheesyCover ablehnt. Aber wenn es jemand schafft, aus einem Coldplay(!)-Stück ein großartiges(!) Instrumental(!) zu machen, dann horche ich auf. Und lege die Ohren erst wieder an, wenn auch Britney, die Zutons oder die Smiths verwurschtelt und neu zusammengesetzt wurden. Wenn sowas auf so verzückende Art und Weise geschieht, ja mei, da gehört das eben hier auf Platz eins, so einfach ist das — selbst, wenn die unvermeindliche Amy mit auf die Bühne geholt wird.

2007: Platten, die bestätigten

von einbecker am 03.01.2008

…von welch großen Bands sie kommen. Auch wenn Sie mich nicht bis in die letzten Haarspitzen begeistern konnten, für Deck-, Achsel- und Brustbehaarung reichte es durchaus. Die besten fünf derer:

  • 5. Editors: An End Has A Start

    Ein Album, das so beginnt, kann gar nicht schlecht sein. Es könnte zwar ein wenig größer sein, ein, zwei Gramm weniger Coldplay auflegen, aber insgesamt zeigen die Editors, die sich der Nähe zu R.E.M., Interpol und englischen Schmachtgesängen durchaus bewusst sind, dass sie auf ganz eigenen Beinen stehen.

  • 4. The Coral: Roots & Echoes

    Silvester traf ich einen Freund aus alten Tagen wieder, mit dem ich damals des öfteren Gespräche führte, die sich auch um the Coral drehten. Wir wahren beide glühende Verehrer dieser Band und wussten doch, dass sie in zehn Jahren in keinerlei Popmusikkanon dieser Dekade auftauchen würde, denn sie schrammen mit jedem Langspieler zielsicher knapp an dem Hippiepopalbum vorbei. Auch wenn hier die Verschrobenheit ein wenig mehr zurückgelehnt erscheint, so zeigen doch die anderen Stücke, dass da noch viel gedreht werden kann. Und muss.

  • 3. Stars: In Our Bedroom After The War

    Sie begannen natürlich damit, als ich sie letzten Herbst eigentlich zwei Mal sehen wollte. Großartiges Stück einer wunderbaren Band, die es auch mit eher gewagten Bühnenoutfits (hellgrauer Anzug meats Schweiß…) schafft, so tolle Musik zu machen, dass man sich und die Welt herum vergisst. Einziger Kritikpunkt dabei ist vielleicht, dass man dabei auch sehr schnell die Platte wieder vergisst, wenn der Tonarm die Mitte erreicht hat.

  • 2. Bloc Party: A Weekend In The City

    Endlich mal eine Band, die nicht die gleiche Platte zum x. Mal auflegt. Endlich mal eine Band, die weiß, wo ihre Stärken sind. Was sich jetzt erstmal sehr merkwürdig anhört, wird schnell nach mehrmaligem Anhören klar: Die Kombination aus Stimme, Beat und Melodie ist einfach einmalig, und um so wichtiger, wenn sie nicht stehen bleibt, auch wenn dabei vielleicht nicht ganz so ein Meisterwerk wie Silent Alarm herauskommt. Und hey, so langsam gibt es endlich wieder Konzeptalben!

  • 1. Interpol: Our Love To Admire

    Diese Entscheidung fiel schwer, und garantiert nicht mit dem Herzen. Keine Band hat mir wahrscheinlich in den vergangen Jahren mehr feuchte Augen beschert, habe ich häufiger vergöttert für mathematische Präzision, für das Treffen der genauen Grenze zwischen zu viel und zu wenig Emo. Auch für dieses Album. Aber, und es ist ein großes Aber, ein schweres Aber: Ich muss eingestehen, dass es nicht zu den fünf besten des Jahres gehört. Punkt.

Und diese Liste greift zu kurz: Es fehlen die Babyshambles, the Arcade Fire, Radiohead, the Shins, Dinosaur Jr., Kings Of Leon, the Weakerthans, Moneybrother, Modest Mouse und (ja, auch) die Smashing Pumpkins. Und es werden durchaus Alben darunter sein, die ich später auf den Plattenteller lege und gerne hören werde, denn sie sind ja, und das wichtigste: großartige Musik. Und nicht nur das, sie spielen auch tolle Konzerte. Und auch wenn mich zumindest Plätze drei bis eins dieses Jahr schon bis an die Tränen gerührt haben, und auch, wenn ich die Perfektion gerade von Platz eins (Pioneers. To. The. Falls.) beängstigend schön finde: Es hat nicht zur wirklichen Top Five gereicht.

2007: Platten, die elektrisierten

von einbecker am 30.12.2007

Jahresrückblick, Teil eins: Elektronische Musik. Ich bin wahrlich kein Experte, wahrscheinlich habe ich auch nur 10 bis 15 Alben ernsthaft in betracht gezogen — von daher ist dieser Liste eine inherente Fehlleistung einheim, die ich nur durch erhöhte Subjektivität wettmachen kann. Hier also Musik aus den Laptops dieser Welt:

  • 5. Simian Mobile Disco: Attack Decay Sustain Release

    La Breeze von den damals noch gitarrierenden Simian kommt einem nun wirklich nicht in den Sinn, wenn man das neue Werk der Eingreiftruppe Tanzmusik hört. Daft Punk hingegen durchaus, was ja grundsätzlich nichts verkehrtes sein kann.

  • 4. Modeselektor: Happy Birthday

    »bassbin-blowing techno hop dubstep core« sagte wohl mal der NME. Nun ja, unaufgeregte, abwechslungsreiche elektronische Musik mit einigen (für 70 Minuten verständlichen) Längen sage ich.

  • 3. Justice: †

    D.A.N.C.E. — Entschuldigung, aber: D.A.N.C.E.? Und auch wenn der Rest etwas abfällt — was bei diesem Hammer nur verständlich ist: Immer noch eine verdammt gute Platte.

  • 2. LCD Soundsystem: Sound Of Silver

    Pitchfork packt ihn ja sogar auf Platz zwei der Gesamtcharts und wünscht sich sowas wie den Elektronikspringsteen, für mich einfach als Mischung aus Hommagen, Computer und textueller Grandiosität ein sehr gutes Album. Und als Bonus gibt es noch 45 Minuten 33 oben drauf.

  • 1. Digitalism: Idealism

    Über Pogo könnte ich ähnliches sagen wie über obiges D.A.N.C.E., aber: ich muss es nicht. Denn neben einem Kracher liegen hier noch so viele andere Stücke rum (Idealistic! The Pulse! …), dass man getrost vom elektronischen Album des Jahres sprechen kann. Die Welt braucht keine 10 Daft Punks? Wenn sie so klingen: Durchaus.