Thema »Best-of-a-Band«

2007: Public Enemy #1

von Orlando am 05.01.2008

Unglaublich eigentlich. Auf der Couch lümmelnd der Zufallsplaylist lauschend spricht Chuck D die Worte »That’s right. Public Enemy #1. 20 years.« zu mir und ich kann es zunächst nicht glauben. Kann das sein? 1987? Die akribisch gepflegten iTunes-Metadaten bestätigen ihn. Ich höre seit 20 Jahren Rap.

Guten Rap mit ausgefeilten Texten und einer Botschaft. Public Enemy, politisch, radikal, the black CNN. Native, nicht Indie. Kein Vergleich mit deutscher Ghettobarbarei, deren Protagonisten künftig Fußgängerzonen verunsichern und Passanten mit »Haste Worte?« anschnorren werden. Hier also die Meilensteine zwanzigjährigen Schaffens in Form der besten fünf (von insgesamt zwölf) Alben und deren jeweils besten Tracks.

Pfad der Toten

von einbecker am 07.11.2006

Und Ihr werdet uns am Pfad der Toten erkennen[, den wir hinterlassen]: …And You Will Know Us By The Trail Of Dead. Ein Witz, keine Anspielung auf Mayas oder das Instrumentalzerlegeverhalten auf den Bühnen, die sie zur Missionierung des Indievolkes besuchen. Und gleichzeitig ein Erlebnis, nicht nur — aber auch — live, sondern schon beim Albumhören, wenn einem das neueste Versatzstück der letzten Jahrzehnte Rockgeschichte um die Ohren geschleudert und neu verdrahtet wird. Da werden Hymnen geschrammelt und getrommelt, Epen geschrien und pausiert, Hauptsache dem geneigten Hören fliegt das Soundequipment um die Ohren. So Divided heißt das neue Machwerk, weshalb mir jetzt die unlösbare Aufgabe zuteil kommt, fünf der alten Klassiker zu benennen. Ich werde scheitern:

  • 5. Mach Schau (Secret Of Elena’s Tomb EP)

  • 4. Mistakes & Regrets (Madonna)

  • 3. Worlds Apart (Worlds Apart)

  • 2. It Was There That I Saw You (Source Tags & Codes)

  • 1. Will You Smile Again (Worlds Apart)

Bitte jeweils aus den folgenden Bruchstücken schlüssige Beschreibungen der Lieder und Gründe für diese Platzierung formulieren (ich bin dazu nicht fähig): »… zerstörend…« »… Song Nummer zwei einer Trail-Of-Dead-Platte…« »… besser hinsetzen, sonst…« »… wie eine Bierdusche beim Festival Deiner Wahl: völlig überflüssig, aber doch erfrischend…« »… der Mund: offen…« »… gerockt, bis zum…« »… das ist so gut, dass…« »… und dann diese Pause macht, nur um daraufhin…« »… der coolste Kindergesang seit Jackson Five…« »… nochmal so richtig losschlagen…« »… und dann: der Höhepunkt!…« »… wie die Brandung an…« »… die Fragezeichen werden nicht…« »… Oh ja,…« »… Gut!…« »… wechseln die Instrumente…« »… treibend…« »… melodisch…« »… wirr…« »… und vieles mehr bietet…« .

Und diese Auswahl, sie tut mir jetzt schon leid. Eine EP und vier Alben gibt es, alle so unglaublich gut, dass jeder hier lesende eigentlich eh schon davon gehört haben sollte. Und eine neue kommt dazu. Und die Erwartungen, die sind berechtigterweise hoch, und werden, so munkelt man (und auch die Spex) erfüllt.

Rockin’ The Suburbs

von einbecker am 20.04.2006

(Die Chinaserie wartet immer noch etwas ungeduldig auf der Startgraden — die Zeit, werte Leser, die Zeit!)

Sonntag morgen. Die Croissants duften frisch, die Pancakes kommen just aus der Pfanne und der Milchschaum wird genüsslich geschlürft. (Warum ist heute erst Donnerstag?) Dazu kommt natürlich Musik, um den perfekten Augenblick (denken wir uns 25°C und Sonne dazu) zu untermalen. Sicher, dass kann Norah Jones oder Jack Johnson sein. Wenn es vor sich hin plätschern soll. Wer Qualitätsmusik sucht, die auch ohne Zwischenreden auskommt, wird früher oder später bei Ben Folds landen. Hier fünf Lieder, die das Marmeladenbrötchen würzen:

  • 5. One Angry Dwarf and 200 Solemn Faces (Whatever And Amen)

    Der Ärzte »Zu Spät« auf Englisch und gut. Schwer zu verstehen, bei dem ganzen geklimper, aber man kann es ja nachlesen: »If you really wanna see me, check the papers and the tv. Looks who’s telling who what to do.« Das ganze in der Dreier-»Five«-Besetzung schnell und ein wenig funky eingespielt.

  • 4. Zak And Sara (Rockin’ The Suburbs)

    Das schnelle Klavier am Anfang verschwimmt zu einer leichten, sanften Melodie. Die Foldsche Stimme setzt ein, ein paar »Badada«s kommen dazu. Ein junges Pärchen aus dem Südwesten. Auch wenn man es nicht (gleich) versteht, es macht schon sinn, was er uns sagen will. Und diese Melodie und Stimme, die es einem erlaubt, die aufmerksamkeit von 50 auf 100 Prozent zu verstellen, wann immer man will.

  • 3. Army (The Unauthorized Biography of Reinhold Messner)

    Neben einem der größten Albumtitel der letzten Jahre besticht dieser Song durch die Dynamik, schnell, laut, leise, ruhig — gleitendes Piano, Stilwechsel und noch viel mehr. »I’ve been thinking a lot today.« Ganz egal, ob Folds nun wirklilch in der Armee war oder nicht: Darüber sollte man mal nachdenken.

  • 2. Philosophy (Ben Folds Five)

    Hier startet der Gesang vor der Melodie und entblößt die zerbrechliche Schönheit Folds Stimme. Dann treibt das Piano, die Drums und der Bass und machen aus dem Stück wohl das Vorzeigeexempel der Triozeit: Harmonien, gegenseitiges Antreiben, Jazz, Funk: »punk rock for sissies«

  • 1. Gracie (Songs For The Silverman)

    Die eigene Tochter ist Thema dieses ruhig vor sich hintreibenden Songs. Nur das Piano trägt die Stimme, wiegt sie sanft hin und her, von dur nach moll, von langsam zu Pause. Immer wenn es persönlich wird, kommt dieses Gänsehautgefühl, das auch »Late« begleitet, ein Tribute an den viel zu früh gestorbenen Elliott Smith — der Gerüchten zu Folge hörte er eine Platte seines guten Freundes Ben Folds, als er sich das Leben nahm. Zurück aber zu Gracie: Hätte mein Vater ein Lied über mich geschrieben, und wäre das Resultat auch nur halb so schön wie dieses: Ich würde ihn lieben. Und dieses Lied.

Indieschlampe

von einbecker am 30.01.2006

Sie kommen wie Audi aus Ingolstadt, klingen aber weniger nach V8 und mehr nach Gitarre, Melodie, Melancholie und, ab und an, einer Prise Schrei. Als zweiter Teil der Serie Indieperlen aus heimatlichen Gefilden nun also: Slut.

  • 5. It was easier

    2001 erregten Slut größere mediale Aufmerksamkeit, als diese Single vom »Lookbook« auch im Mainstreamradio auftauchte. Auch auf meinem Radar war es der erste Slut-Bleap, der mich aber sofort anfixte und zu einem Album führte, das nicht minder schön ist als dieser Song: Melodien, die melancholisch über zarte Arrangements gleiten, das Werk in einem Guß erscheinen lassen und doch ab und an aus dem Rahmen fallen.

  • 4. Why Pourquoi

    War voriger Song für viele der Slutdurchbruch, so konnten sie doch mit diesem hier noch etwas mehr Zuschauer erreichen: Er wurde auf dem Raabschen Bundesvision Songcontest gespielt, floppte dort aber dank völlig anderer Zielgruppe trotz Kinderchors. Und wenn Songs einen berühren, weil der Inhalt so alltagstauglich ist, kann das ja erstmal nichts schlechtes sein. »I think I like you, but not enough.« Sometimes, it just feels this way.

  • 3. Wasted

    Da sind sie, die Schreie: Zumindest ich verstehe kein Wort, was dort geschrien wird, Aber das braucht es auch nicht. Und sie stören auch nicht, sondern stellen ein Ausrufezeichen hinter das, was die Melodie parallel vorgibt. Melodiöser wurde zuletzt in Zeiten von Rage geschrien.

  • 2. I can Wait

    Ingolstadt ist nicht weit von Weilheim entfernt, und da verwundert auch die klangliche Nähe mancher Slutstücke zu Werken aus dem Hause Notwist nur wenig. Sehr ruhig, mit der Titelzeile als Begleitgesang über die gesamten dreieinhalb Minuten, mit ein wenig E-Piano und leisen Becken- und Bassschlägen im Hintergrund, so dass das Lied trotz der Zärte doch nie zerbricht.

  • 1. Easy To Love

    Da wird das Tanzbein von harten Gitarrenschlägen getrieben, eine klassische Songstruktur (leise/laut, Strophe/Refrain) umhüllt dieses Meisterwerk, dass auch zu den besten Stücken zählen würde, die Placebo je geschrieben haben (wenn Placebo es denn geschrieben hätte). So ist es ein Slutsches Meisterwerk, so rund wie die Ringe eines Audis und doch so kantig wie dessen Singleframekühler. Johnny erwähnte neulich bei ABCs »The Look Of Love«, dass gute Songs ohne eine Eröffnung durch den Refrain auskommen. Gut aufgepasst, werte Slut.

Kraus, Roboterpolizist

von einbecker am 26.01.2006

Als Einstieg in eine kleine Serie über Indiepoprockbands aus deutschen Landen fangen wir heute in Nürnberg an, wo neben dem zweitbekanntesten Weihnachtsmarkt der Welt und ein paar Würsten auch noch eine 80er-Revivalband existiert, die weder nach deutsch noch nach 80er-Revival klingt: the Robocop Kraus. Hier eine musikalische Auswahl, fünf Perlen aus einer Perlenkette, die blinkt und glitzert:

  • 5. After Laughter Comes Tears

    Es gibt diesen Moment, der das schöne zum bitteren werden lässt, der die Wagschaale herunterbefördert und alles blöd aussehen lässt. Richard Ashcroft sang dafür seine »Bitter Sweet Symphony«, the Robocop Kraus dieses Lied, das die Stimmung zum Inhalt zum Titel gemacht hat.

  • 4. Too True To Be Good

    Wortspielunsicherheit ist wohl das Wort, das noch nie in einem Robocop-Kraus-Review auftauchte. Denn es hat dort auch nichts zu suchen: »In Fact, Your Just Fiction«, »There Are Better Lights In Hollywood« oder eben dieses Stück zeigen neben Wortwitz auch noch, das man kleine Geschichten in kurzen Songs erzählen kann, ohne Melodie, Tanzbarkeit und viel mehr zu opfern.

  • 3. Nihil Disco

    Was The Arcade Fire letztes Jahr herausgebracht haben, war ein Meisterwerk, das bei mir leider erst so richtig groß geworden ist, nachdem ich meine Jahrescharts aufstellte. Dabei ist da ja auch ein Klanghauch von Nihil Disco zu hören, das zudem noch mit dem Universalzitat für dreckige Tage aufwartet: »All the happy people should be smashed to smithereens!«

  • 2. You Make The Boys Shy

    Die Hardcorevergangenheit ist hier noch deutlich zu hören, die Gitarre entflieht des öfteren der Melodie, um sich wahlweise ein paar harten Riffs oder ein wenig dem Funk zu widmen. Aber der Hang zum Pop ist trotz durchaus vorhandener destruktiver Elemente klar zu erkennen, der Weg sozusagen geebnet, um die besungenen tanzenden Mädchen bei ihrer Lieblingsbeschäftigung zu begleiten.

  • 1. You Don’t Have To Shout

    Handclaps, Marching-Band-Sound, ein wenig obskure Orgel dazu, und ein Sänger, der sich das ganze Lied über selbst wiederspricht. Und das ganze klingt nach Tanzbarkeit, England (englisch ausgesprochen), NYC und dem ganzen heißen Scheiß, der jetzt grade die Länder übervölkert. Und hat darin eindeutig seinen Platz verdient.

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